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Durchfallerkrankungen
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- vor 7 Monaten zuletzt von Christian Akele bearbeitet
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Kapitelinformationen | |
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Stand: | Juni 2021 |
Kapitelleitung: | Maria Vehreschild |
Autor:innen: | Ludwig Grüter Roger Vogelmann Marcus Schmitt Harun Azzaui Nathalie Jazmati Imke Wieters Claudia Denkinger Verena Faehling |
Reviewer:innen: | Anette Friedrichs |
Beteiligte Fachgesellschaften: | ![]() |
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Diarrhoen stellen ein häufiges Symptom in der ambulanten und stationären Versorgung dar. Die differentialdiagnostische Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Nur in einem Teil der Fälle liegt ursächlich eine Infektion vor, die durch eine Vielzahl bakterieller, viraler und parasitärer Erreger bedingt sein kann. Das klinische Spektrum reicht von Befindlichkeitsstörungen bis hin zu lebensbedrohlichen Kolitiden. Die einzusetzende Diagnostik und ggf. empirische Therapie werden maßgeblich vom klinischen Setting bestimmt.
Klinisches Bild
Klinische Situationen
Weltweit:
- Ca. 500 Millionen Fälle pro Jahr
- Ca. 5-10 Millionen Todesfälle pro Jahr (insb. Kleinkinder)
Akute Diarrhoe in Deutschland:
- Ca. 250.000 gemeldete Fälle pro Jahr (hohe Dunkelziffer)
- Stationäre Aufnahme bei ca. 1/400 Patient:innen
- Todesfälle ca. 3/100.000
- Erreger:
- 40% viral (insb. Norovirus, auch Rotavirus)
- 20% bakteriell (insb. Campylobacter, auch Salmonellen)
- Weitere, nicht-infektiöse Ursachen
Reisediarrhoe:
- Häufigste Reiseerkrankung (bis 60% der Reisenden)
- Erreger:
- Meist ETEC (bis 70%)
- Je 5-15% andere E. coli, Salmonellen, Campylobacter, Shigellen
- 5-10 % Protozoen
- 5-10% Viren (Rota-, Norovirus)
Leitsymptome
Akute Diarrhoe: ≥3 ungeformte Stuhlgänge innerhalb von 24h
Chronische Diarrhoe: Diarrhoe ≥3 ungeformte Stuhlgänge > 4 Wochen
Begleitsymptome | Warnsymptome |
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CAVE: Warnsymptome bei Durchfallerkrankungen sind:
- Hämatochezie
- Nächtliche Diarrhoe
- Gewichtsverlust
- Exsikkose / Hypotonie
- Verwirrung
- Fieber
- Abdominelle Schmerzen
Prognose
- Akute unkomplizierte Diarrhoe: sehr gute Prognose
- Ansonsten je nach Verlauf und Komplikationen
- Risikofaktoren für komplizierten Verlauf: Immunsuppression, sehr junges oder hohes Alter, Multimorbidität
Diagnostik
Anamnese, insb. mit Hinblick auf Warnsymptome (s.o.)
- Symptomatik und Dauer
- Flüssigkeitsaufnahme und -ausscheidung
- Vorerkrankungen und Medikamente, insb. Immunsuppression und stattgehabte Antibiosen
- Reiseanamnese
- Umgebungs- und Berufsanamnese (Kita/Pflegeheim o.Ä., weitere Erkrankungen)
- Zeitlicher Zusammenhang mit Nahrungsaufnahmen (Infektion vs. Intoxikation)
Körperliche Untersuchung
- Vitalparameter
- Abdomenstatus inkl. Peritonismus-Zeichen
- Weitere körperliche Untersuchung inkl. Herz, Lunge, orientierend neurologisch
(Zeichen systemischer Beteiligung?)
Ausreichend bei akutem, unkompliziertem Verlauf und fehlenden Warnsymptomen/ Risikofaktoren
Weitere Diagnostik bei:
- Hämatochezie
- Immunsuppression
- Chronischer Diarrhoe
- Beschäftigung im Lebensmittelbereich / in Gemeinschaftseinrichtungen
- Nosokomialer Diarrhoe (>72h nach Aufnahme)
- Stattgehabter Antibiotikaeinnahme (<3 Mo. Zurück)
- Schweren Vorerkrankungen (z.B. Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz)
Labordiagnostik bei Warnsymptomen/ Risikofaktoren:
Stuhldiagnostik mittels Inspektion (blutig, nicht-blutig, Beschaffenheit), ggf. Blutentnahme: insb. Blutbild, Elektrolyte, Retentionsparameter, CRP bei klinisch schwerem Verlauf und Blutkulturen bei Fieber. Ein Überblick über die im Regelfall initial abzuklärenden Erreger gibt Tabelle 5. Bzgl. der, für die Stuhldiagnostik zu verwendenden Tests besteht aktuell ein ausgeprägter Trend weg von der Kultur/Mikroskope und hin zur PCR. Je nach lokalem Standard können dementsprechend unterschiedliche diagnostische Ansätze zur Anwendung kommen (s.Tabelle 1).
Präanalytik:
Für die mikrobiologischen Diagnostik sind primär Stuhlproben geeignet, Abstriche nur in Ausnahmefällen. Bei der Probengewinnung ist auf ein Einhalten der Hygienemaßnahmen zu achten. Kontaminationen z.B. mit Toilettenspülwasser oder anderen sanitären Oberflächen sollte vermieden werden. Stationär ist eine Abnahme aus einem sauberen Gefäß möglich. Ambulante Patienten können den Stuhlgang ebenfalls in der Toilette mit geeigneten Materialen abfangen und eine Probe davon entnehmen.
Für die mikrobiologische Diagnostik genügt eine mit dem Löffelchen des Stuhltransportröhrchens gewonnen erbsengoße Stuhlprobe. Sollten zusätzlich auch noch parasitologische und / oder virologische (z.B. Antigenbestimmung) Untersuchungen angefordert werden, bietet es sich an die doppelte Menge oder mehrere Proben einzuschicken.
Der Transport der Stuhlproben in das Labor sollte im Idealfall nicht länger als 4 Std betragen. Bei einem längeren Zeitraum empfiehlt sich die Kühlung der Proben auf etwa 3 – 4°. Virologische Proben können unter Umständen auch nach längerer kühler Lagerung verarbeitet werden. Parasitologische Untersuchungen sollten möglichst an 3 unabhängigen Proben durchgeführt werden.
Tabelle 1: Basisdiagnostik bei im Krankenhaus und ambulant erworbener Diarrhoe
Situation | Erregerdiagnostik |
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Im Krankenhaus erworbene Diarrhoe (> 72 h nach Hospitalisierung) | Initiale Abklärung:
Erweiterte Abklärung:
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Ambulant erworbene Diarrhoe (< 72 h nach Hospitalisierung) | Initiale Abklärung:
Erweiterte Abklärung:
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Reise-/Migrationsanamnese UND Diarrhoe > 5 Tage / Hämatochezie / schwerer Verlauf / Gruppenerkrankung | Parasiten: E. histolytica, G. lamblia, C. cayatenensis, S. stercoralis
Bakterien: Campylobacter spp., Salmonella spp., Shigella spp., Y. enterocolitica, Aeromonas spp., EPEC Chronische Diarrhoe: zusätzlich Cryptosporidien Bei Fieber: Blutkulturen (mind. 2), Malariadiagnostik |
Zusätzlich:
- Bei Beschäftigung / Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen, Kindern:
- Virologie-PCR: Noro-, Adeno-, Rotaviren
- Bei Nachweis von Salmonellen (Gefahr septischer Absiedelung):
- Blutkulturen (bis negativ)
- Abdomensonographie
Differentialdiagnostik
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten/Allergien (u.U. postinfektiös, insb. Laktoseintoleranz)
- Genussmittel, z.B. Alkohol, Koffein, Nikotin
- Paradoxe Diarrhoe (CAVE Malignome)
- Pseudodiarrhoe (erhöhte Stuhlfrequenz bei normaler Konsistenz und Menge)
- Medikamentös: Laxantienabusus, Medikamentennebenwirkung
- Kolitis anderer Genese (chronisch entzündlich, ischämisch)
- Endokrin (z.B. Hyperthyreose, Serotonin-Syndrom)
- Zoeliakie
- Pankreasinsuffizienz
- Nicht-infektiöse Intoxikation (z.B. Histamin, Schwermetalle, Pilze, Schalentiere)
Erreger
Tabelle 2: Bakterien als Auslöser einer Diarrhoe
Bakterien | |||
---|---|---|---|
Erreger | Inkubationszeit | Klinische Symptomatik | Komplikationen |
Campylobacter spp. | 2 - 5 Tage | • Häufig Prodromi: Myalgie, Kopfschmerzen, Fieber
• Wässrige (später blutige) Durchfälle und Tenesmen • Asymptomatische Verläufe häufig • Dauer bis 7 Tage |
• Reaktive Arthritis
• Guillain-Barré-Syndrom • Myokarditis • Protrahierte, disseminierte (insb. C. coli) und chronische Verläufe möglich bei Immunsuppression |
Clostridioides difficile | Antibiotika-assoziiert (bis zu 4 Wo. nach Absetzen) | • Variable Symptomatik
• Diarrhoen (blutig bis wässrig, übelriechend) • Pseudomembranöse Kolitis • Risiko je nach Antibiotikatherapie: Anzahl der Antibiotika und Therapiedauer, Wahl des Antibiotikums (insb. Clindamycin, Fluorchinolone, Cephalosporine ab der 2. Generation) • Weitere Risikofaktoren: PPI/H2-Blocker, Alter, Hospitalisierungen, Gemeinschaftseinrichtung, abdominelle Chirurgie, Nasensonde, Begleiterkrankungen |
• Toxisches Megakolon
• Rezidive |
Enteritis-Salmonellen (nicht typhöse Salmonellen) | 12 - 26 h | • Wässrige Diarrhoe, Brechreiz (Erbrechen) und Fieber (38°-39°C)
• Dauer 4-10 Tage |
• Septische Absiedelungen (5%)
• Reaktive Arthritis • Dauerausscheider (>4 Wochen): <1% |
Salmonella typhi
Salmonella paratyphi |
10 - 21 Tage | • Prodromalstadium:
Kopf-/ Gliederschmerzen • 1. Krankheitswoche: staffelförmig ansteigendes hohes Fieber (bis Kontinua) mit Bewusstseinstrübung (ca. 7-14 Tage), Leukopenie, relative Bradykardie • 2.-3. Krankheitswoche Organmanifestation: Splenomegalie, Typhome, Haut-Roseolen (septische Embolien), Obstipation, breiige Durchfälle |
• Darmperforation
• Peritonitis • Tod (<1%) • Dauerausscheider (>1 Jahr): 5% (erhöhtes Risiko für Gallenblasenkarzinom) |
Yersinia enterocolitica
Yersinia pseudotuberculosis (selten) |
4 - 7 Tage | • Subakuter Verlauf
• breiige Durchfälle, Fieber, Bauchschmerzen • selten Erbrechen • Pseudoappendizitis (10.-30. LJ) • Dauer: wenige Tage bis max. 2 Wochen |
• Sepsis
• Nach wenigen Tagen bis zu 1 Monat: reaktive Arthritis, Erythema nodosum, Myokarditis (unabhängig von Antibiotikagabe) |
Shigella spp. Enteroinvasive E.coli
(EIEC) |
12 - 96 h | • Wässrige Diarrhoe bis hin zu blutig-eitriger Diarrhoe mit Fieber, Tenesmen, Koliken (Shigellenruhr)
• Kopfschmerzen • Allgemeinsymptome • Dauer: ca. 7 Tage |
Selten:
• Kolonblutung • Kolonperforation • HUS • reaktive Arthritis |
Enterohämorrhargische E. coli (EHEC) | 3 - 4 Tage | • Übelkeit, Erbrechen
• Diarrhoe, häufig blutig (10-20%) • Bauchschmerzen • Dauer ca. 7 Tage • V.a. bei Säuglingen, Kleinkindern, älteren Patienten und Immunsupprimierten |
• HUS (6-9%): nach 5-10 Tagen, insb. bei Kindern |
Enteropathogene E. coli (EPEC) | 12 h - 6 Tage | • Säuglingsenteritis: meist < 6. LM
• Erbrechen • Wässrige bis breiige Diarrhoe |
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Enterotoxinogene E. coli (ETEC) | 24 h | • Reisediarrhoe: Mexiko, sub-Sahara Afrika, Südasien
• Übelkeit, selten Erbrechen und wässrige Diarrhoe • Dauer: 1-5 Tage |
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Enteroaggregative E. coli (EAEC) | • Diarrhoe bei Kindern, Erwachsenen, Reiserückkehrern und HIV-Patienten
• Dauer im Mittel 3 Tage • Auch asymptomatische Verläufe |
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Toxinbildende O1/0139-positive Vibrio cholerae | • Stunden bis wenige Tage | • Hauptsächlich Südostasien, Südamerika, West- und Zentralafrika in Zusammenhang mit mangelhaften hygienischen Zuständen
• Akut, reiswasserartige Durchfälle (bis zu 20 Liter pro Tag!) • Asymptomatische Verläufe beschrieben • Dauer: ca. 5 Tage |
• Metabolische Azidose
• Elektrolytstörungen, insb. Hypokaliämie • Hypoglykämie • Volumenmangelschock |
Aeromonas spp. | • Insb. im Sommer nach Wasserkontakt
• Wässrige Diarrhoe, meist selbstlimitierend • Ggf. Fieber, Bauchschmerzen, Hämatochezie |
• HUS
• Selten Sepsis (insb. bei Immunsuppression) | |
Weitere bakterielle Toxinbildner (C. perfringens, S. aureus, B. cereus) | • 0,5-16 h nach Nahrungs-Aufnahme | • Diarrhoe und Bauchschmerzen
• Ggf. Erbrechen • Dauer 12-24 h |
• C. perfringens: Nekrotisierende Colitis |
Tabelle 3: Viren als Auslöser einer Diarrhoe
Viren | |||
---|---|---|---|
Erreger | Inkubationszeit | Klinische Symptomatik | Komplikationen |
Norovirus | 6 - 50 h | • Akuter Verlauf
• Übelkeit, schwallartiges Erbrechen • Abdominelle Krämpfe • Starke Diarrhoe • Kopf- und Muskelschmerzen • Fieber • Dauer: 2-3 Tage |
• Chronische Verläufe bei Immunsuppression |
Rotavirus | 1 - 3 Tage | • Insbesondere Säuglinge und Kleinkinder
• Diarrhoe, Erbrechen, Fieber • Dauer: 4-7 Tage |
• Chronische Verläufe bei Immunsuppression |
Adenoviren
(insb. Typ 40 und 41) |
Bis 12 Tage | • Wässrige Diarrhoe
• Fieber • Erbrechen • Dauer 8-12 Tage |
|
Astroviren | 2 - 4 Tage | • Diarrhoe, Bauchschmerzen
• Allgemeinsymptome mit erhöhter Temperatur • Übelkeit, ggf. Erbrechen • Eher milder als Noro-/Rotavirus • Dauer bis 5 Tage |
Tabelle 4: Protozoen als Auslöser einer Diarrhoe
Protozoen / eukaryontische Einzeller | |||
---|---|---|---|
Erreger | Inkubationszeit | Klinische Situationen | Komplikationen |
Giardia lamblia | 2 - 10 Tage | • Akute, wässrige-schleimige übel-riechende, entfärbte, voluminöse Diarrhoe
• Oberbauchschmerzen, Magenkrämpfe, Meteorismus • Dauer sehr unterschiedlich • Auch asymptomatische Verläufe |
• Intermittierende Laktose-Intoleranz (20-40%)
• Chronisch-rezidivierende Verläufe mit Malabsorption und Gewichtsverlust |
Entamoeba histolytica | Wochen bis Monate | • Asymptomatische Verläufe (häufig)
• Breiige, später blutige Durchfälle, krampfartige Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Fieber |
• Toxisches Megakolon
• Nekrotisierende Kolitis • Septische Absiedlungen, insb. Amöben-Leberabszess / Amoebom (Monate bis Jahre nach Infektion) |
Cryptosporidien | 2 - 14 Tage | • Wässrige/schleimige Diarrhoe,
• Oft mild bis asymptomatisch • Schwere Verläufe bei Kindern und Immunsupprimierten • Dauer meist 5-14 Tage |
• Cholangitis
• Rezidive |
Mikrosporidien | • Wässrige Diarrhoe mit Gewichtsverlust
• Insb. bei Kindern und Immunsupprimierten • Chronischer Verlauf, bis Jahre |
• Cholangitis, Cholezystitis | |
Cyclospora (z.B. C. cayatenensis) | 1 - 11 Tage | • Wässrige Diarrhoe
• Grippale Allgemeinsymptome • Dauer 1-7 Wochen • Insb. Immunsupprimierte und ältere Patienten |
• Chronische Verläufe, Rezidive
• Bei Immunsuppression: Hämatochezie, Cholangitis, Dissemination, reaktive Arthritis |
Cystoisospora | 1 Woche | • Wässrige Diarrhoe, Bauchschmerzen
• Allgemeinsymptome • Dauer 2-3 Wochen • Assoziiert mit Eosinophilie |
Tabelle 5: Helminthen als Auslöser einer Diarrhoe
Helminthen | |||
---|---|---|---|
Erreger | Inkubationszeit | Klinische Symptomatik | Komplikationen |
Strongyloides stercoralis | 2 - 10 Tage | • Oft asymptomatisch
• Oberbauchschmerzen • Übelkeit, Erbrechen • Chronische wässrige Diarrhoe, ggf. im Wechsel mit Obstipation • Bei chronischer Infektion: rekurrente Larva currens (lokale filiforme Dermatitis) |
Insb. bei Immunsuppression:
• Generalisierung / Hyperinfektionssyndrom |
Weitere Helminthen (z.B. T. trichuria, A. duodenale, S. mansoni, A. lumbricoides) | • I.d.R. asymptomatisch, ansonsten mild
• Bauchschmerzen, Diarrhoe, Malabsorption • Übelkeit |
• Chronische Verläufe mit AZ-Reduktion, ggf. Anämie |
Therapie
Tabelle 6: Empirische Therapie der akuten Diarrhoe ohne Erregernachweis
Klinische SItuationen | Therapie 1. Wahl | Therapie 2. Wahl | Komplikationen/Hygiene Hinweise/Meldepflicht |
---|---|---|---|
Ambulant erworben (≤72h stationär)
Keine Immunsuppression Keine Zeichen der schweren Dehydratation/Sepsis |
Ambulante, supportive Therapie mit oraler Flüssigkeits- und Elekrolytzufuhr
Häufig selbstlimitierend
Ggf. Antiemetika (z.B. Metoclopramid)
Ggf. antisekretorische Substanzen (z.B. Racecadotril) |
||
Nosokomial erworben (>72h stationär) oder ambulant erworben plus
Immunsuppression und/oder Zeichen der schweren Dehydratation/Sepsis |
Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich
|
Bei schweren Verläufen oder Verläufe >3 Tage
• Ciprofloxacin 2x 500 mg oral für 3-5 Tage • (Alternativ Ciprofloxacin 2x 400 mg i.v. für 3-5 Tage oder Ceftriaxon 1x 2g i.v. für 3-5 Tage) |
Isolation bei Krankenhausaufnahme bis 48h durchfallfrei |
Nach Fernreise | Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich·
oder Ciprofloxacin 2 x 500 mg oral für 3-5 Tage (alternativ Ciprofloxacin 2x 400 mg i.v. für 3-5 Tage)
|
Isolation bei Krankenhausaufnahme bis 48h durchfallfrei
|
Tabelle 7: Gezielte Therapie bei Erregernachweis
Erreger | Nachweismethode | Therapie 1. Wahl | Therapie 2. Wahl |
---|---|---|---|
Clostridioides difficile | Zweischrittiges Verfahren. Screening Assay: Glutamat-Dehydrogenase ELISA oder PCR
Bestätigung: Toxin ELISA
Nachweis von Pseudomembranen in der Koloskopie |
Auslösende Antibiotika-Therapie (sofern möglich) beenden!
Vancomycin 4x 125 mg p.o. über 10 Tage ODER Fidaxomicin 2x 200 mg p.o. über 10 Tage ODER Metronidazol 3x 400 mg p.o. (nur in leichten Fällen ohne nennenswerte Komorbiditäten)
Fidaxomicin 2x 200 mg p.o. über 10 Tage ODER Vancomycin 4x 125 mg p.o. über 10 Tage (falls vorher noch nie erhalten)
Metronidazol 500 mg 3x/d i.v. über 10 Tage + Vancomycin 500 mg 4x/d per Magensonde über 10 Tage |
Jeweils die in der ersten Episode nicht verabreichte Option |
Enteritis-Salmonellen (nicht typhöse Salmonellen) | Stuhlkultur | Indikation Antibiotikatherapie:
• Systemische Infektion (Fieber) • Blutstrominfektion • Immunsuppression • Hämodialysepatienten • (Vorliegen von Gefäßprothesen, Aneurysmata, Fremdmaterial im Körper)
|
Ceftriaxon 1x 2 g i.v. für 5-7 Tage (bei Immunsuppression 14 Tage) |
Salmonella typhi
Salmonella paratyphi |
Inkubationszeit: Blutkulturen
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Empirisch (vor Antibiogramm):
Ceftriaxon 2x 1 g i.v. für 10-14 Tage
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Azithromycin 1x 1000 mg oral für 5-7 Tage ODER
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Shigella spp.
Enteroinvasive E.coli (EIEC) |
Stuhlkultur, ggf. -PCR (ipah-Gen) | Bei akuter Infektion immer Therapie (nach Resistenztestung):
Azithromycin 1x 500 mg p.o. für 3 Tage (insb. bei Asienreisenden aufgrund hoher Ciprofloxacinresistenz) ODER Ciprofloxacin 2x 500mg p.o. bzw 2 x 400 mg i.v. für 3-5 Tage (Bei Immunsuppression Therapiedauer je 5-7 Tage) |
Bei Vorliegen von Resistenzen nach Antibiogramm therapieren |
Campylobacter spp. | Stuhlkultur, ggf. -PCR | Indikation Antibiotikatherapie:
• Beschwerden >1 Woche • Immunsuppression • Hohes Fieber, stark blutige Diarrhoe
|
Ciprofloxacin 2x 500 mg p.o. für 3 Tage |
Yersinia enterocolitica
Yersinia pseudotuberculosis |
Stuhlkultur, ggf. -PCR | Indikation Antibiotikatherapie:
• schweres Krankheitsbild • fehlende klinische Besserung nach 2 Wochen |
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Enterokolitis:
Ciprofloxacin 2x 500 mg p.o. bzw. 2x 400 mg i.v. für 5-7 Tage (bei Immunsuppression ggf. länger) |
Cotrimoxazol 2x 875 mg p.o. ODER i.v. für 7-14 Tage | ||
Bakteriämie:
Ceftriaxon 1x 2 g i.v. für 7-14 Tage (bei Immunsuppression ggf. länger) |
Ciprofloxacin 2x 500 mg p.o. bzw. 2x 400 mg i.v. für 7-14 Tage | ||
Aeromonas spp. | Stuhlkultur, ggf. -PCR | Indikation:
• Chronischer Verlauf • Sepsis Kontakt zu Infektiologie |
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Enterohämorrhargische E. coli (EHEC) | Stuhlkultur, -PCR (Shigatoxin 1 / 2) | Keine Antibiotikatherapie
(CAVE: begünstigt Auftreten von HUS) |
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Enteropathogene E. coli (EPEC), entero-toxinogene E. coli (ETEC) | Stuhlkultur, ggf. -PCR | Keine Antibiotikatherapie, selbstlimitierend! | |
Enteroaggregative E. coli (EAEC) | Stuhlkultur, ggf. -PCR | Indikation Antibiotikatherapie:
• Immunsuppression • Dauer >14 Tage (sehr selten)
|
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Toxinproduzierende O1/0139-positive Vibrio cholerae | Stuhlkultur und direkte Stuhlmikroskopie, ggf. PCR | Wichtigste Maßnahme: Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich!
|
Azithromycin 1 g als Einmaldosis |
Weitere Toxinbildner | Bezug zur Nahrungs-Aufnahme | Symptomatisch, keine antibiotische Therapie | |
Noro-, Rota-, Adeno-, Astroviren | Stuhl-PCR | Symptomatisch | |
Giardia lamblia | Stuhl-Mikroskopie und -PCR | Indikation:
• Symptomatische Patienten • Asymptomatische Patienten mit Kontakt zu Immunsupprimierten/Schwangeren
zudem laktosefreie Ernährung für mind. 1 Monat nach Therapie empfohlen. |
Tinidazol 2 g als Einmaldosis |
Entamoeba histolytica | Stuhl-Mikroskopie und -PCR (bzw. aus Abszess)
|
Indikation: Immer bei Nachweis
|
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Cryptosporidien,
Mikrosporidien |
Stuhl-Mikroskopie und ggf. -PCR | Supportive Therapie
Immunrekonstitution |
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Cyclospora | Stuhl-Mikroskopie und PCR | Cotrimoxazol 2x 960 mg für 7 Tage
|
Ciprofloxacin 2x 500 mg für 7 Tage ODER
Nitazoxanid 2x 500 mg für 7 Tage |
Cystoisospora | Stuhl-Mikroskopie | Cotrimoxazol 2x 960 mg für 10 Tage
|
Ciprofloxacin 2x 500 mg für 7 Tage |
S. stercoralis | Stuhl-Mikroskopie und -PCR, Serologie | Ivermectin 1x 200 µg/kg über 3 Tage oder 2x Einzeldosis im Abstand von einer Woche | Albendazol 1x 400 mg über 3 Tage, Wdh. nach 2 Wo. ODER
Mebendazol 500 mg Einzeldosis |
Weitere Helminthen (z.B. T. trichuria, A. duodenale, S. mansoni, A. lumbricoides) | Stuhl-Mikroskopie, ggf. PCR (S. mansoni) | Je nach nachgewiesenem Erreger
-> Kontakt zu Tropenmedizin |
Prophylaxe und Prävention
1. Zur Rezidivprophylaxe kann in Kombination mit der CDI-gerichteten Antibiotikatherapie bei hohem Rezidivrisiko einmalig Bezlotoxumab 10 mg/kg verabreicht werden (Risikofaktoren: Alter >65 Jahre, Immunsuppression, Rezidivsituation, Niereninsuffizienz).
2. Bei multiplen Rezidiven und nach einer Therapie mit mindestens Vancomycin und Fidaxomicin sollte die Möglichkeit eines fäkalen Mikrobiotatransfers als Sekundärprophylaxe eruiert werden.
Weiterführende Literatur und Hilfestellungen
Tabellarische Anmerkungen zur Meldepflicht nur bei ganz klarer Lehrmeinung angeben.
Quellen
• Hagel, S. et al.: S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple, 2015
• Bennett, J. E., Dolin, R., & Blaser, M. J.: Mandell, Douglas, and Bennett's Principles and Practice of Infectious Diseases, 2020
• Farrar J., Hotez P. J., Junghanss T., Kang G., Lalloo D., White N. J.: Manson's Tropical Infectious Diseases, 2014.
• Lübbert, C., Grimm, M.: Akute Infektiöse Diarrhoe, 2014.
• (Krankenhaushygiene up2date 2018; 13(04): 451-469
• DOI: 10.1055/s-0043-118640; Diagnostik Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York; Präanalytik: Blutkultur, Urin, Stuhl, Anna Dudakova, Marco H. Schulze)