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HIV
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- vor 9 Monaten zuletzt von Sandra Fuhrmann bearbeitet
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Kapitelinformationen | |
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Stand: | Juni 2021 |
Kapitelleitung: | Christoph Boesecke |
Autor:innen: | Simon Weidlich, Christoph Spinner, Elena Rodriguez-Castellano |
Reviewer:innen: | Antonios Katsounas |
Beteiligte Fachgesellschaften: | ![]() |
Feedback: | Mitwirken |
Die Postexpositionsprophylaxe bei HIV ist stark abhängig vom Typ der Übertragung.
Wichtige Kategorien sind berufliche Exposition, parenteraler und sexueller Übertragungsweg.
Inhaltsverzeichnis
Klinisches Bild
Klinische Situationen
Im folgenden wird unterschieden zwischen beruflicher Exposition, parenteraler und sexueller Übertragung.
Indikation zur HIV-PEP bei beruflicher Exposition
Expositionsereignis | VL bei Indexperson >50 Kopien/ml oder unbekannt | VL bei Indexperson <50 Kopien/ml |
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Massive Inokulation (>1 ml) von Blut oder anderer (Körper-) Flüssigkeit mit (potentiell) hoher | Empfehlen | Empfehlen |
(Blutende) Perkutane Stichverletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohlraumnadel; Schnittverletzung mit kontaminiertem Skalpell, Messer o.ä. | Empfehlen | Anbieten |
Oberflächliche Verletzung (z.B. mit chirurgischer Nadel) ohne Blutfluss
Kontakt von Schleimhaut oder verletzter/geschädigter Haut mit Flüssigkeit mit potentiell hoher Viruskonzentration |
Anbieten | Nicht indiziert |
Perkutaner Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut (wie Urin oder Speichel)
Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher Viruskonzentration) Haut - oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin oder Speichel |
Nicht indiziert | Nicht indiziert |
Indikationen zur HIV-PEP bei parenteraler Exposition
Expositionsereignis | PEP-Indikation |
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Versehentliche Transfusion von HIV-haltigen Blutkonserven oder Erhalt von mit hoher Wahrscheinlichkeit HIV-haltigen Blutprodukten oder Organen Experten hinsichtlich Dauer einer Prophylaxegabe hinzuziehen | PEP empfehlen |
Nutzung eines HIV-kontaminierten Injektionsbestecks durch mehrere Drogengebrauchende gemeinsam | PEP empfehlen; Abklären ob eine HIV-PrEP-Beratung sinnvoll ist und gewünscht wird. |
Indikationen zur HIV-PEP bei sexueller Exposition
Sexuelle Exposition | ||
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Kontext | Expositionsereignis | PEP-Indikation |
Bei infizierter Person mit bekanntem positiven HIV-Status. | Ungeschützter insertiver oder rezeptiver vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr (z. B. infolge eines geplatzten Kondoms) Transmissionsrisiko in erster Linie vom Behandlungsstatus bzw. der Viruslast bei der behandelten Person abhängig. | PEP empfehlen
- wenn Indexperson unbehandelt bzw. VL > 1000 Kopien/ml - wenn Behandlungsstatus nicht eruierbar & Abklären ob eine HIV-PrEP-Beratung sinnvoll ist und gewünscht wird. |
PEP anbieten
wenn VL der Indexperson 50-1000 Kopien/ml & Abklären ob eine HIV-PrEP-Beratung sinnvoll ist und gewünscht wird. | ||
PEP anbieten
wenn VL der Indexperson 50-1000 Kopien/ml & Abklären ob eine HIV-PrEP-Beratung sinnvoll ist und gewünscht wird. | ||
Bei unbekanntem HIV-Status des/der Partner:in | Ungeschützter Analverkehr zwischen Männern Bei homosexuellem Analverkehr zwischen Männern liegt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass beim Partner eine undiagnostizierte oder unbehandelte HIV-Infektion vorliegt, in Deutschland zwischen ca. 1% und 3% (altersabhängig). In Großstädten und Szene-typischen Settings ist mit erhöhten Wahrscheinlichkeiten zu rechnen. Wenn ungeschützter Analverkehr wiederholt erfolgt (Anamnese!), sollte zusätzlich eine Präventionsberatung und eine Beratung zur HIV-PrEP empfohlen werden | PEP anbieten |
Ungeschützter heterosexueller Vaginal- oder Analverkehr mit Statistische Expositionswahrscheinlichkeit in einem Bereich ~ 1:100).
a) aktiv intravenös Drogen konsumierendem Partner:in b) mit bisexuellem Partner c) mit Partner:in aus HIV-Hochprävalenzregion (v.a. Subsahara-Afrika) |
PEP anbieten;
Eine Beratung zur HIV-PrEP empfehlen. | |
Ungeschützter heterosexueller Vaginal- oder Analverkehr
bei Vergewaltigung Statistische Expositionswahrscheinlichkeit sehr gering <= 1:10.000) |
Keine Einigkeit bezüglich PEP-Indikation | |
Ungeschützter heterosexueller Vaginal- oder Analverkehr (auch mit Sexarbeiter:in) Bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr liegt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass beim Partner/bei der Partnerin eine undiagnostizierte oder unbehandelte HIV-Infektion vorliegt in Deutschland bei ca. 1:10.000 oder darunter.
Ggf. über die Möglichkeit einer HIV-PrEP aufklären. |
Keine PEP-Indikation
Ggf. über die Möglichkeit einer HIV-PrEP aufklären. | |
Ungeschützter oraler Geschlechtsverkehr mit der Aufnahme von Sperma eines sicher oder wahrscheinlich HIV-infizierten Partners in den Mund Übertragungswahrscheinlichkeit selbst im Falle einer realen Exposition sehr gering | Keine PEP-Indikation | |
Küssen / Kontakt von HIV mit Haut | Keine PEP-Indikation |
Epidemiologie
- Bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr liegt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass bei dem/der Partner:in eine undiagnostizierte oder unbehandelte HIV-Infektion vorliegt in Deutschland bei ca. 1:10.000 oder darunter.
- Bei homosexuellem Analverkehr zwischen Männern liegt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass beim Partner eine undiagnostizierte oder unbehandelte HIV-Infektion vorliegt, in Deutschland zwischen ca. 1% und 3% (altersabhängig). In Großstädten und Szene-typischen Settings ist mit erhöhten Wahrscheinlichkeiten zu rechnen.
- Bei ungeschütztem heterosexueller Vaginal- oder Analverkehr mit aktiv intravenös Drogen konsumierende:m Partner:in, bisexuellem Partner oder mit Partner:in aus HIV-Hochprävalenzregion (v. a. Subsahara-Afrika) liegt die statistische Expositionswahrscheinlichkeit in einem Bereich ~ 1:100.
Prognose
Eine akute HIV-Infektion soll bei fieberhaftem Krankheitsbild innerhalb von 2 Monaten nach Exposition bzw. nach Ende der Prophylaxe diagnostisch abgeklärt werden. Bei negativem HIV-Antikörper Nachweis könnte eine HIV-PCR notwendig sein.
Besonders verdächtig ist ein akutes Krankheitsbild innerhalb der ersten vier Wochen nach Exposition bzw. Ende der PEP.
Nach Ende der PEP sollte evtl. der Bedarf einer HIV-PrEP (HIV-Präexpositionsprophylaxe) evaluiert werden.
Diagnostik
Diagnostische Schritte
Untersuchung / Test | Indexperson falls Person bekannt, aber Infektionsstatus unklar. Einwilligung erforderlich, ggf. Einsatz eines Schnelltestes | Exponierte Person | |||
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Ausgangsuntersuchung | Ausgangsuntersuchung | 2 Wochen | 6 Wochen/ nach PEP: 10 Wochen [122] | 12 Wochen/ nach PEP: 16 Wochen | |
HIV-Antikörper | X | X | X | X | |
HBsAg bei ausreichendem Impfschutz des Verletzten (Anti HBs>100 IE/ml innerhalb der letzten 10 Jahre) ist eine Testung der Indexperson auf HBsAg nicht erforderlich – bei fehlender Impfanamnese und bestehender Impfindikation Impfung empfehlen (siehe Impfempfehlung der STIKO: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2013/Ausgaben/34_13.pdf?__blob=publicationFile , S.341-342) | X | X | |||
Anti HBc- und Anti HBs-Antikörper bei ausreichendem Impfschutz des Verletzten (Anti HBs>100 IE/ml innerhalb der letzten 10 Jahre) ist eine Testung der Indexperson auf HBsAg nicht erforderlich – bei fehlender Impfanamnese und bestehender Impfindikation Impfung empfehlen (siehe Impfempfehlung der STIKO: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2013/Ausgaben/34_13.pdf?__blob=publicationFile , S.341-342) | X | X* | X* | ||
HCV-Antikörper*** | X | X | X* | X* | |
HCV-RNA*** | (X) | X | X | ||
ärztliche Untersuchung | X | X** | X | ||
Medikamentenanamnese** | X Behandlungsanamnese mit antiretroviralen Medikamenten (Abschätzung der Resistenzsituation) | XEinnahme anderer Medikamente? (CAVE! Wechselwirkungen) Verträglichkeit der PEP? | XEinnahme anderer Medikamente? (CAVE! Wechselwirkungen) Verträglichkeit der PEP? | ||
Blutbild** | X | X | |||
Transaminasen | X | X | X*** | ||
Kreatinin/Harnstoff** | X | X | |||
Bei sexuellem Risiko:
Weiteres STDs (Syphilis, Gonorrhö, Chlamydien) |
X* | X* | X* | X* | |
Bei sexuellem Risiko:
(bei MSM) Kontrolle des HAV- Impfstatus falls nicht gegen Hepatitis A geimpft, Hepatitis A-oder Hep.A/B –Kombinationsimpfung empfehlen |
X | X |
* falls indiziert/ falls Exposition vorlag
** falls PEP genommen wird
*** HCV-RNA-Bestimmung bei der Indexperson falls diese anti-HCV positiv ist; nach beruflicher Exposition (z.B. NSV) Vorgehen bzgl. HCV gemäß S3-Leitlinie. HCV-RNA-Bestimmung bei der verletzten (exponierten) Person bei relevantem HCV-Übertragungsrisiko und bekannter oder möglicher HCV-Infektion der Indexperson) nach 2-4 und falls negativ 6 – 8 Wochen nach Exposition. Abschlusskontrolle (HCV-Antikörper und Transaminasen) nach HCV-Exposition nach 6 Monaten.
Differentialdiagnosen
Postexpositionsprophylaxe bei Hepatitis
Erreger
Humanes Immundefizienz-Virus (HIV)
Therapie
Empirische Therapie
- Stich- oder Schnittverletzung, Kontamination geschädigter Haut: Spülung mit Wasser und Seife bzw. einem Antiseptikum, welches begrenzt viruzide Wirksamkeit aufweist
- Kontamination (Auge oder Mundhöhle): Spülung mit Wasser von Auge und Mundhöhle
Erregerspezifische Therapie
Die PEP sollte so früh wie möglich nach einer Exposition eingeleitet werden (nach Möglichkeit sogar innerhalb von 24 Stunden und besser noch innerhalb von 2 Stunden). Liegt die mögliche Exposition vor mehr als 72 Stunden, kann nach derzeitigem Kenntnisstand eine Prophylaxe nicht mehr empfohlen werden.
Standardprophylaxe
Dauer der PEP: 4 Wochen
- Tenofovirdisoproxil/Emtricitabin (Truvada® oder diverse Generika) 200/245mg 1x1
- PLUS
- INI RAL (Isentress®) 400mg 2x1
- ODER RAL (Isentress®) 600mg 1x2
- ODER DTG (Tivicay®)* 50mg 1x1
CAVE: Dolutegravir wegen V.a. Teratogenität kontraindiziert für Frauen im gebärfähigen Alter, bei denen eine Schwangerschaft nicht ausgeschlossen ist
Quellen
- Deutsch-Österreichische Leitlinie zur medikamentösen Postexpositionsprophylaxe nach HIV-Exposition, Aktualisierung 2018; https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/055-004k_S2k_Medikamentoese-Postexpositionsprophylaxe-PEP-nach-HIV-Exposition_2018-12.pdf